Geschätzt gelten sechs Millionen Menschen in Deutschland als überschuldet. Die anhaltend hohe Inflation droht die Probleme zu verschärfen. Doch Schuldnerberatungsstellen kämpfen mit Fachkräftemangel. Der Bedarf ist groß, doch auch Schuldnerberatungsstellen fehlen Fachkräfte.
Lange Wartezeiten für Betroffene
Die Folge: Viele Menschen mit Schuldenproblemen müssen auf einen Termin bei den Beratern warten. „Im Moment dauert es in der Regel mehrere Monate bis zum Erstgespräch, wir haben aber auch schon von Wartezeiten von bis zu eineinhalb Jahren gehört“, sagte Ines Moers, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB) der Deutschen Presse-Agentur. In akuten Notsituationen, etwa wenn der Strom abgestellt werden solle oder der Verlust der Wohnung drohe, versuchten Beratungsstellen mit einer Notfallberatung noch während der Wartezeit zu helfen.
Hohe Energiepreise verschärfen die Situation
Derzeit suchen Verbraucherinnen und Verbraucher nach Erfahrungen der BAG-SB zunehmend auch wegen der hohen Energiepreise Hilfe bei den Beratern. Die gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten treffen Studien zufolge Menschen mit niedrigerem Einkommen besonders hart. Wenn es lange Wartezeiten gebe, erhöhe sich der Druck auf die Betroffenen, berichtete Moers. „Wir erleben, dass Menschen mit Schuldenproblemen zu privaten, kostenpflichtigen Beratern gehen, darunter sind teilweise auch unseriöse Anbieter. Den Betroffenen wird in einer Notlage auch noch Geld aus der Tasche gezogen“.
Fachkräftemangel und offene Stellen
Die Zahl der offenen Stellen ist den Angaben zufolge bei den bundesweit etwa 1400 Beratungsstellen deutlich gestiegen. Fachkräfte mit Zusatzausbildung seien selbst über den spezialisierten Stellenmarkt des Verbands kaum zu finden. Moers verweist auf Daten der Bundesagentur für Arbeit, wonach zum Stichtag 10. Mai rund 13 600 offene Stellen für Sozialarbeiter gemeldet waren. Die Schuldnerberatung ist klassischerweise ein Feld der Sozialarbeit. Genaue Daten, wie viele Stellen in anerkannten Beratungsstellen bundesweit fehlen, gibt es Moers zufolge nicht. Die Berufsbezeichnung „Schuldnerberater/Schuldnerberaterin“ ist in Deutschland nicht geschützt.
Ursachen für den Personalmangel
Einen Grund für den Personalmangel sieht Moers in der aus Sicht des Verbandes nicht angemessenen Bezahlung bei vielen Trägern der Beratungsstellen. Das liege vor allem an den seit Jahren unveränderten Leistungsvereinbarungen mit den Kommunen, die es gerade freien Trägern schwer machten, Lohnsteigerungen umzusetzen. Bei kirchlichen Trägern sehe es in Sachen Gehalt besser aus.
Prognose für die Zukunft
Die Probleme könnten sich noch verschärfen. Der Informationsdienstleister Crif rechnet angesichts der hohen Inflation mit erheblichen Problemen bei einkommensschwachen Haushalten und in der Folge mit bis zu 100.000 Privatinsolvenzen im laufenden Jahr nach 96 321 im vergangenen Jahr. „Durch die weiter steigenden Kosten ist eine Verschuldungswelle in Deutschland möglich“, sagte Crif-Geschäftsführer Frank Schlein unlängst. „Wenn die Kosten stark steigen, wird es für Personen, die schon bislang am Existenzminimum leben, schwierig.“ Bei vielen seien auch die psychischen Belastungen enorm.