Reformstau in der Bildung – Leitartikel von Jens Anker
Das Berliner Bildungswesen leidet unter verschiedenen Problemen. Es gibt einen Mangel an Lehrern und Schulplätzen, die Stundenpläne sind überfüllt und die Ausbildung ist veraltet und umständlich. Diese Probleme sind schon lange bekannt. Es wurden bereits Maßnahmen ergriffen, um mehr Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen. In Berlin beginnen Berufsanfänger mit einem Bruttogehalt von 5000 Euro pro Monat. Es wurden auch mehr Studienplätze geschaffen. Doch die Ergebnisse waren mäßig. Einerseits reichten die Studienplätze nicht aus, andererseits kamen viele junge Menschen aus anderen Bundesländern zum Studieren nach Berlin und verließen die Stadt danach wieder, um anderswo zu arbeiten.
Die Vorgehensweise der letzten Jahre folgt einem Muster, das im öffentlichen Dienst weit verbreitet ist: Die Landesregierungen versuchen, die Probleme allein durch mehr Personal zu lösen. Doch das funktioniert in der Regel nicht, weder in den Schulen noch in der Verwaltung. Es reicht nicht aus, mehr Personal in ein krankes System zu stecken, um die strukturellen Probleme zu lösen. Im Gegenteil, immer mehr Menschen im Bildungsbereich sind frustriert, da sie sich in erstarrten Strukturen bewegen müssen. Es bleibt kaum Raum für eigene Ideen oder die eigenständige Lösung von Problemen. Kein Wunder also, dass immer mehr Lehrkräfte den Schulbetrieb frustriert verlassen. In den letzten fünf Jahren haben 4500 Lehrkräfte in Berlin ihre Arbeitsverträge gekündigt, weil ihnen ihre Gesundheit wichtiger war als ein sicherer Arbeitsplatz mit guter Bezahlung. In der Verwaltung werden die Zahlen wahrscheinlich ähnlich ausfallen. Der Reformstau zeigt sich am deutlichsten an den Schulen, wenn regelmäßig Unterricht ausfällt. Dass viele junge Menschen bereits während des Studiums aufgeben, fällt dagegen nicht so sehr auf.
Berlin ist nicht allein mit dieser Reformlethargie. Das letzte große Reformprojekt auf Bundesebene liegt mehr als 20 Jahre zurück: Die Hartz-Reformen haben das Sozialwesen und die Arbeitslosigkeit grundlegend neu geregelt. Seitdem wird viel über Reformen im Gesundheits-, Renten-, Verwaltungs- und Bildungsbereich gesprochen, ohne dass sich grundlegend etwas geändert hätte. Stattdessen werden die Probleme in politischen Auseinandersetzungen zermürbt. Für das Bildungswesen in Berlin bedeutet das, dass die eine Seite für die Stärkung der Gymnasien kämpft, während die andere den Ausbau der Gemeinschaftsschulen fordert. An anderen Stellen wird an Symptomen herumgedoktert, ohne dass es etwas kostet. Ein Beispiel dafür ist die aktuelle Diskussion über Gymnasien.