Der Kreml hat Probleme genug, da ihm die Soldaten ausgehen. Um neue Freiwillige zu gewinnen, setzt die Propaganda auf Verharmlosung des Todes. RT-Chefin Margarita Simonjan hat sich in dieser Disziplin besonders hervorgetan. Die russische Kriegsführung und die Entwicklungen an der Front haben die Propaganda des Kremls in eine Art Starre versetzt. Selbst der 9. Mai, das wichtigste Datum des Putin-Regimes, konnte der Propaganda-Maschine keinen neuen Schwung verleihen. Die Parade zum Siegestag über Nazi-Deutschland fiel in Moskau bescheiden aus. Die russische Hauptstadt war still, während Putin Kadetten und einen alten Panzer über den Roten Platz marschieren ließ. Die schrecklichen Waffen, auf die der Kreml stolz ist, waren weder bei der Parade noch an der Front zu sehen. Die Propaganda muss sich daher weiterhin Ausreden einfallen lassen.
Simonjans Ausrede
Simonjan beherrscht diese Disziplin wie kaum eine andere. In der Polit-Talk-Show „Eigene Wahrheit“ auf dem Sender NTW präsentierte sie ihre neueste Ausrede. Normalerweise bleibt sie im Studio ihres Hetz-Partners Wladimir Solowjow. Dieses Mal gab sie „ihre Wahrheit“ jedoch im Studio des Moderators Roman Bobajan zum Besten. Ihre Parolen sollen im russischen Staats-TV offenbar noch mehr Raum bekommen als ohnehin schon.
Putin und die roten Linien
Michael Bohm fragte Simonjan, warum Putin nicht handele, wenn alle seine „roten Linien“ längst überschritten seien. Bohm spielt in jeder Propaganda-Show den amerikanischen Prügelknaben und wird als Journalist vorgestellt. Simonjans Antwort war, dass niemand aus der russischen Führung jemals gesagt habe, was genau diese roten Linien darstellen. Putin habe nie gesagt, dass dies oder jenes eine rote Linie sei. Sie hätten lediglich erklärt, dass es diese roten Linien gibt. Simonjan verlässt sich offenbar auf ein kurzes Gedächtnis ihres Publikums. Tatsächlich definierte Putin in einem Interview mit dem russischen Sender Rossija 1 im März 2014 die roten Linien sehr klar: „Wenn sie uns in die Ecke drängen, werden wir reagieren, und wenn nötig, werden wir auch den Einsatz von Atomwaffen nicht ausschließen.“
